Prof. apl. Dr. Ferdinand Rohrhirsch Impressum

Coaching und Ethik

  

Coaching - Klausur zu zweit

Coaching ist eine Klausur zu zweit. In der regelmäßigen und ritualisierten Begegnung, die einen Coachinprozess formt, wird eine hochwirksame und förderliche Hilfestellung gesehen, den Bildungsprozess einer Person durchgreifend zu unterstützen.

Doch Coaching wird oft als ergebnisorientiertes Begleiten verstanden. Maß­­­stab ist ein Ziel, das vom Klienten gesetzt ist. Der Coach geht davon aus, dass die Blockierung, durch die das zielrelevante Potenzial gestoppt ist, mentaler Natur ist. Mit Hilfe des Coaches soll die Blockierung überwunden werden. Dazu wird das erwünschte aber noch nicht erreichte Ziel, (z. B. den Verkauf in einem de­finierten Zeitraum zu erhöhen) in Teilschritte zerlegt, die erfolgreich zu absolvieren sind. Ein Teilschritt könnte z. B. darin liegen, die hausinternen Behinderungen des Verkaufs zu identifizieren. Anschließend wird das nächste Teilziel anvisiert  (Teilzieleverwirklichung), bis hinauf zum eigentlichen Ziel. Ist dieses erreicht, dann ist der Coachingprozess beendet.

Soweit die Theorie. Dieses kausalorientierte Vorgehen kann funk­tio­nieren. Bei anspruchsvollen Zie­len (z. B. in der Unter­neh­menshierarchie eine Stufe höher zu kom­men) wird sich jedoch sehr schnell zeigen, dass sich die Realität nicht immer an Teilzielvereinbarungen hält.
Ein Coachingprozess, der mit bloßen Ursache-Wirkungsschematas arbeitet, kommt an seine Leistungsgrenze, wenn es um langfristige Zielorientierungen geht, - um Projekte, die Jahre dauern.

Wenn es darüber hinaus um die Ausbildung von Führungsqualitäten geht, dann kommt es im Coachingprozess unweigerlich und notwendig zur Stellung und Diskussion von Wert- und Sinnfragen.

Eine Möglichkeit mit Sinn- und Wertfragen umzugehen, besteht darin - analog einer wissenschaftlichen Methodik - diese als dem Ziel hinderlich zu qualifizieren und aus­zublenden. Die bessere Alternative ist, diese Sinn- und Wertfragen als integralen Bestandteil des Coa­chingverlaufs zu akzeptieren. (Vgl. Rohrhirsch, Führen, S. 153). Dann stellt sich für den Coach allerdings eine folgenreiche Frage: Wie soll er mit den Wert- und Sinnfragen seines Klienten umgehen? Soll der Coach lediglich als Spiegel, als neutrale Folie fungieren, in dem der Klient sich selbst sieht und widerspiegelt? Doch lernen und sich bilden kann nur der, der herausgefordert wird, dem etwas widerfährt.

Was bedeutet das für den Coachingprozess?
Wenn die Ausbildung einer Per­sönlichkeit wesentlich etwas mit gelebten Überzeugungen, d. h. mit Wert- und Sinnannahmen zu tun hat, dann muss der Coach in der Lage sein, dazu Stellung zu nehmen. Nur so erarbeitet er dem Klienten eine Reflexions­ebene, die mehr bietet, als ein bloßes Echo der Meinungen, Annahmen und Überzeugungen des Klienten. Wert- und Sinnfragen lassen sich nur aufgrund anderer Wert- und Sinnan­nahmen offenlegen, beurteilen, revidieren und bestätigen.


Dazu bedarf es eines anthropologisch fundierten, ethisch kompetenten und weltanschaulich klar positionierten, wohlwollenden und verläßlichen Dialogpartners. Die Form des Kontaktes ist im Idealfall als kontinuierlicher, geistig-geistlicher Begleitungs- und Reflexionsweg zu konstituieren. 

Ausführlich wird mein Coachingverständnis in meinem Buch "Christliche Führung - Anspruch und Wirklichkeit. Führen mit Persönlichkeit und Ethik" erläutert (Gabler 2013, S. 188-222. Auch Christen begreifen Coaching als eine "Andacht des Denkens" in einer Klausur zu zweit). 

Informationen zu diesem Buch.

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Ferdinand Rohrhirsch

letzte Änderung: Mai 2013.